11.12.2021 – Eine Hernie, auch bekannt als Weichteil- oder Eingeweidebruch, ist ein Austritt von Eingeweiden aus der Bauchhöhle. Hernien bleiben oft lange unbemerkt, sind aber nicht ungefährlich. In welchen Fällen eine Hernie Probleme bereitet, wollen wir von Dr. Irmgard Weindl wissen. Sie ist Viszeralchirurgin im Josephinum.
Was kann bei einer Hernie passieren?
Dr. Weindl: Bei Betroffenen drängen Bauchfell und Organe durch eine schwache Stelle oder eine Lücke in der Bauchwand nach außen. Das Bauchfell – also die „Haut“, die den Bauchraum auskleidet – bildet hierbei den sogenannten Bruchsack. Dieser wölbt sich durch eine Bruchlücke vor und kann Teile von Organen enthalten, wie etwa des Darms. Das Wort „Bruch“ ist allerdings etwas irreführend. Denn anders als bei einem Knochenbruch entsteht die Erweiterung der Bruchpforte meist nicht plötzlich, sondern häufig über lange Zeit. Außerdem ist auch nicht immer und zeitnah eine Operation notwendig, wie es bei einem gebrochenen Knochen der Fall wäre.
Welche Arten von Hernien gibt es überhaupt?
Dr. Weindl: Hier gibt es viele Krankheitsbilder: Die Leistenhernie ist die mit Abstand häufigste Form einer Hernie. Sie entsteht an einer Schwachstelle oberhalb des Leistenbandes und betrifft vor allem Männer. Oft kommen auch Bauchnabelbrüche vor, in erster Linie bei Säuglingen und übergewichtigen Erwachsenen. Ebenso sehe ich viele Patienten mit Narbenhernien. Diese bilden sich im Bereich einer Operationsnarbe, da die Bauchwand an dieser Stelle geschwächt und deshalb anfälliger für eine Hernie ist. Seltener kommen Oberbauch- und Schenkelhernien vor. Ein Oberbauchbruch, auch epigastrische Hernie genannt, bildet sich durch eine Lücke in der Bauchwand zwischen Brustbein und Bauchnabel. Ein Schenkelbruch zeigt sich am Oberschenkel unterhalb des Leistenbandes und betrifft vorwiegend Frauen.
Wer ist besonders anfällig?
Dr. Weindl: Die Hauptursache ist ein schwaches Bindegewebe. Manche Menschen haben dieses von Geburt an, andere erst in höherem Alter. Auch Krankheit oder eine Operation können Gewebe und Muskeln schwächen. Außerdem steigt bei starkem Übergewicht der Druck im Bauchinnenraum.
Übergewicht lässt jedoch nur das Risiko für Narben- und Nabelbrüche ansteigen, nicht das für Leistenbrüche. Übrigens können auch Tumore oder Wasseransammlungen im Bauch den Druck auf die Bauchwand erhöhen. Schwangere sind ebenfalls anfälliger für Bauchwandbrüche. Rauchen oder Krankheiten wie Diabetes können die Wundheilung stören und dadurch Narbenhernien begünstigen. Für Betroffene wichtig zu wissen: Schweres Heben, Husten oder Pressen vergrößert eine vorhandene Hernie.
Wie stellen Sie die Diagnose?
Dr. Weindl: Hernien sind häufig eine sogenannte Blickdiagnose. Das bedeutet: Sie sind sofort erkennbar. Die Untersuchung erfolgt zunächst im Stehen. Dabei wird der Patient aufgefordert, zu pressen oder zu husten. Im Liegen lässt sich dann prüfen, ob sich der Bruch in den Bauchraum zurückschieben lässt. Manchmal führe ich zur besseren Darstellung zusätzlich eine Ultraschalluntersuchung durch. Eine Computertomografie oder Kernspintomografie ist nur in Ausnahmefällen nötig.
Ist es eine gute Idee, Hernien unbehandelt zu lassen, wenn sie keine Schmerzen verursachen?
Dr. Weindl: Nein. Die Brüche bleiben dauerhaft bestehen, wenn sie nicht behandelt werden. Betroffene müssen wissen: Ein unbehandelter Bruch kann mit der Zeit größer werden, deutlicher hervortreten und häufiger Beschwerden verursachen. Allerdings kommt es selten zu ernsthaften Komplikationen. Aber: Wenn eine Hernie einklemmt, handelt es sich immer um einen Notfall – und es muss umgehend operiert werden. Klemmt auch der Darm ein, kommt es unter Umständen zu einem Darmverschluss mit heftigen Schmerzen, Übelkeit und Erbrechen. Das passiert zum Beispiel bei Schenkelbrüchen häufiger als bei Leistenbrüchen, weil die Bruchpforte enger ist. Sind auch die Blutgefäße abgeklemmt, kann das vorgefallene Gewebe absterben und eine Bauchfellentzündung nach sich ziehen. Immer gilt in diesen Fällen: Sofort einen Arzt aufsuchen!
In welchen Fällen empfehlen Sie eine Operation?
Dr. Weindl: Grundsätzlich bespreche ich die OP-Indikation individuell mit jedem einzelnen Patienten. Es gibt aber auch Fälle, bei denen man von einer OP absieht. Zum Beispiel, wenn jemand sehr alt, schwach oder schwer krank ist und von der Hernie kein akutes Risiko ausgeht. In aller Regel müssen Hernien aber chirurgisch versorgt werden. Bei diesem Eingriff wird der Bruchsack in den Bauchraum zurückgeschoben oder entfernt und gegebenenfalls die Lücke in der Bauchwand mit einer Naht verschlossen. Dabei setze ich meist zusätzlich ein feines Kunststoffnetz ein, um die Bauchwand zu verstärken und einem Rückfall vorzubeugen. In der Regel werden Hernien minimalinvasiv versorgt, man spricht von einer sogenannten Laparoskopie. Dabei setze ich kleine Schnitte, über welche die Kamera und chirurgische Instrumente in den Bauchraum eingeführt werden. Welches OP-Verfahren infrage kommt, hängt unter anderem von Art und Größe des Bruchs sowie vom Patienten selbst ab.
Zeitungsseite als PDF: KW49_Hernien_Dr._Weindl_11.12.2021.pdf
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Dr. med. Irmgard Weindl
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