Ratgeberseite: Vor und nach einer OP – Lebensqualität im Fokus

22.07.2023 – Die Fortschritte in Medizin und operativen Techniken erlauben immer komplexere Behandlungen – auch in schwierigen Situationen. Doch nicht immer ist alles, was technisch heutzutage möglich ist auch für jeden Patienten sinnvoll, weiß Prof. Dr. Michael Kasparek. Wissenschaftlich wie klinisch beschäftigt sich Prof. Dr. Kasparek seit vielen Jahren mit der Lebensqualität von Patient*innen und dem Einfluss operativer Eingriffe auf diese. Wir sprechen mit dem Leiter der Viszeralchirurgie im Josephinum über die Lebensqualität bei chirurgischen Patient*innen vor und nach einer Operation.

Wie misst man eigentlich die Lebensqualität von Patient*innen?

Prof. Kasparek: Zur Bestimmung der Lebensqualität gibt es eine Vielzahl von Fragebögen welche die allgemeine, gesundheits- und krankheitsspezifische Lebensqualität untersuchen und in vielen Sprachen zur Verfügung stehen. Damit kennen wir heute aus der ganzen Welt Daten zur Lebensqualität von Patient*innen und dem Einfluss sowohl der Erkrankung sowie auch der Behandlung oder Operation. Während es hier früher vor allem um Überleben und Komplikationen nach Eingriffen ging, spielt die Lebensqualität heute eine zunehmende Rolle in der Entscheidung für eine Behandlung sowie bei der Wahl der Behandlungsmethode. Deshalb ist es für uns behandelnde Ärzt*innen unabdingbar, die Ergebnisse der aktuellen Lebensqualitätsuntersuchungen zu kennen, um unseren Patient*innen die individuell optimale Therapie anbieten zu können.

Bei welchen Krankheiten spielt die Lebensqualität denn eine besondere Rolle?

Prof. Kasparek: Eigentlich bei allen Erkrankungen. Es ist einerseits wichtig zu wissen, wie die Erkrankung selbst die Lebensqualität beeinflusst. Aber es ist für uns Behandler genauso relevant zu wissen, welche Auswirkungen verschiedene Therapieoptionen auf die Lebensqualität unserer Patient*innen haben. Während bei lebensbedrohlichen oder bösartigen Erkrankungen Einschränkungen der Lebensqualität oft hingenommen werden müssen, ist dies bei gutartigen Erkrankungen häufig nicht der Fall. Beispielsweise bei Gallensteinen, Leistenbrüchen oder wiederkehrenden Entzündungen des Dickdarms (einer sogenannten Sigmadivertikulitis) muss sehr genau überlegt und mit den Patient*innen diskutiert werden, ob eine Operation überhaupt notwendig ist, wenn keine oder nur geringe Beschwerden vorliegen. Kommt es allerdings zu Beschwerden und Einschränkungen der Lebensqualität, so können wir diese durch meist minimalinvasive Eingriffe in der Regel wieder herstellen. Beispielsweise bei bestimmten Patient*innen mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (Morbus Crohn) konnte nachgewiesen werden, dass eine frühzeitige Operation im Vergleich zu einer langwierigen, medikamentösen Therapie die Lebensqualität schnell und auch langfristig verbessern kann. Wir konnten sogar zeigen, dass viele Patient*innen mit ausgeprägten Entzündungen am After durch Morbus Crohn durch die Anlage eines künstlichen Darmausgangs eine deutliche Verbesserung der Lebensqualität erfahren. Gerade beim künstlichen Darmausgang gibt es sehr viele Untersuchungen, dass dieser in vielen Situation nicht zu einer Verschlechterung der Lebensqualität führen muss.

Aber wie ist es bei bösartigen Erkrankungen? Muss man da die Lebensqualität immer noch berücksichtigen?

Prof. Kasparek: Die Lebensqualität muss bei jeder Behandlung berücksichtigt und etwaige Auswirkungen darauf mit den Patient*innen ausführlich besprochen werden. Nur so ist es möglich, dass sich informierte Patient*innen für oder eben auch gegen einen Eingriff entscheiden können. Medizinisch gesehen ist heute sehr vieles möglich. Das ist aber nicht immer und für jeden Patienten sinnvoll. Ein Beispiel ist der Erhalt des Schließmuskels bei tief sitzendem Krebs des Mastdarms. In den meisten Fällen ist das heutzutage technisch möglich und natürlich wird der Erhalt des Schließmuskels in aller Regel dem Wunsch des Patienten entsprechend angestrebt. Betroffene müssen aber im Vorfeld informiert werden, dass die notwendige Behandlung mit Strahlentherapie, Chemotherapie und Operation im Anschluss auch zu Störungen der Stuhlentleerung und -kontinenz führen kann. Das hat zur Folge, dass bei manchen Patient*innen, die schon vor der Behandlung diesbezüglich Probleme hatten, die Lebensqualität unter Umständen mit einem künstlichen Darmausgang, über den eine kontrollierte Entleerung des Stuhlgangs in einen Beutel erfolgen kann, besser ist. Dies ist zwar nicht der Regelfall, aber man muss es berücksichtigen und mit den Patient*innen besprechen.

Wie stellen Sie sicher, dass Patient*innen nach der Operation die bestmöglichste Lebensqualität behalten?

Prof. Kasparek: Ein ganz zentraler Punkt ist, hier die Situation der Patient*innen im Vorfeld durch ein ausführliches Gespräch genau einzuschätzen und die in Frage kommenden Behandlungsoptionen zu kennen. Hierbei kann „keine Behandlung“ oder eine Kontrolle im Verlauf oder beim Auftreten von Beschwerden vor allem bei gutartigen Erkrankungen durchaus eine Möglichkeit sein. Nicht immer muss gleich operiert werden. Wir legen den Patient*innen aber die Vor- und Nachteile einer Behandlung im Detail dar, so dass sie zusammen mit uns eine Entscheidung für die optimale Therapie treffen können. Wichtig ist, dass eine langanhaltende Verschlechterung der Lebensqualität vermieden wird. Die Zeit für ein ausführliches Gespräch, die dazugehörige Untersuchung und detaillierte Beratung nehmen wir uns gerne.

Zeitungsseite als PDF: KW29_Lebensqualität_Prof._Kasparek_22.07.2023.pdf

Kontakt

Prof. Dr. med. Michael Kasparek

Schönfeldstraße 16
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