02.09.2023 – Die Schulter ist das beweglichste Gelenk im menschlichen Körper. Doch wenn ein Gelenkverschleiß in der Schulter – die sogenannte Arthrose – oder Probleme an der Rotatorenmanschette Schmerzen verursachen, können sowohl die Lebensqualität als auch die Selbstständigkeit der Betroffenen massiv eingeschränkt sein. In vielen Fällen ist die Implantation eines künstlichen Schultergelenkes eine gute Möglichkeit, um PatientInnen zu weitgehender Schmerzfreiheit zu verhelfen und dadurch Lebensqualität und Mobilität im Alltag, bei der Arbeit und in der Freizeit zurückzugewinnen. Die moderne Schulterendoprothetik hat sich in den letzten Jahren weiterentwickelt und so stehen mittlerweile eine ganze Reihe unterschiedlicher Prothesentypen für die verschiedenen Krankheitsbilder zur Verfügung, weiß unser Prothetik-Experte Prof. Dr. Gunther Sandmann.
Wenn die Schulter schmerzt: Was raten Sie Betroffenen?
Prof. Sandmann: Bei Beschwerden an der Schulter, die seit längerem bestehen oder immer wieder auftreten – vor allem beim Armheben oder beispielsweise in Zusammenhang mit einem Schwächegefühl des Armes – sollten sich Betroffene unbedingt an einen Facharzt wenden! Mit Hilfe von Ultraschall und Röntgen sowie Kernspintomografie (MRT) können die Ursachen der Beschwerden festgestellt und eine entsprechende Therapie eingeleitet werden, die ja nicht immer gleich operativ sein muss.
In welchen Fällen ist das Einsetzen eines künstlichen Schultergelenkes sinnvoll?
Prof. Sandmann: Entscheidend ist für mich dabei der Leidensdruck des jeweiligen Patienten. Das heißt: Wenn das eigene Schultergelenk mit Physiotherapie, Medikamenten oder durch eine gelenkerhaltende Operation nicht mehr behandelt werden kann, die Schmerzen unter Belastung und in Ruhe nicht mehr erträglich sind und die Funktion zunehmend eingeschränkt ist, wird es Zeit für ein künstliches Schultergelenk. Durch die Prothese wird der verschlissene Knorpel am Oberarmkopf, beziehungsweise falls nötig auch an der Gelenkpfanne, ersetzt und dadurch rasch eine Linderung der Schmerzen und eine Verbesserung der Funktion erreicht. Man kann also sagen, dass die PatientInnen durch das künstliche Schultergelenk ein Stück Lebensqualität zurückgewinnen.
Welche Prothesen können in der Schulter eingesetzt werden?
Prof. Sandmann: Grundsätzlich stehen viele verschiedene Modelle an Schulterprothesen zur Verfügung, wie etwa Kappenprothesen, schaftverankerte Schulterprothesen, Hemiprothesen oder inverse Schulterprothesen. Die Kunst des Operateurs liegt darin, für jeden die optimale Prothese auszuwählen. Bei Totalendoprothesen werden beide Gelenkpartner – also Oberarmkopf und Gelenkpfanne – ersetzt, bei Hemiprothesen nur der Kopf des Oberarmknochens. Bei der inversen Schulterprothese wird das Gelenk „umgekehrt“ eingesetzt. Das bedeutet: Dort, wo die Pfanne war, findet sich bei der Prothese dann die Kugel und anstelle des Oberarmkopfes findet sich dann die Pfanne.
Wie funktioniert die Verankerung im Knochen genau?
Prof. Sandmann: Schulterendoprothesen bestehen aus körperverträglichen Metallimplantaten aus Titan- oder Kobalt-Chromlegierungen, die je nach Knochenqualität zementiert oder zementfrei eingesetzt werden. Der Pfannenersatz wird in der Mehrzahl der Fälle mit Zement im Knochen verankert und besteht aus einem speziellen, sehr harten Kunststoff, dem sogenannten hoch vernetzten Polyethylen. Bei Revisionsoperationen oder bei schlechter Knochenqualität können aber auch Titan-Pfannen mit Polyethylen-Aufsatz ohne Zement zur Anwendung kommen. Den genauen Endoprothesentyp und die Verankerungsmethode stimme ich mit meinen PatientInnen gemeinsam ab – je nachdem, was im Individualfall am besten geeignet ist. Wichtig für die Entscheidungsfindung sind dabei Faktoren wie Lebensalter, Qualität des Knochens, Ausprägung der Arthrose sowie Schädigung der Rotatorenmanschette. Bei komplexen Fällen kann auch eine 3D- Planungssoftware hilfreich sein. Dabei wird anhand von vor der OP angefertigten CT-Schnittbildern die ideale Positionierung der künstlichen Gelenkpfanne simuliert, was dem Operateur hilft, während der OP die genaue Zielrichtung für den Implantatsitz einzustellen.
Wie lange hält dann eine Schulterprothese und was sollten Betroffene nach der OP beachten?
Prof. Sandmann: Schulterprothesen sind in der Regel langlebig und die Standzeit eines künstlichen Schultergelenkes wird in der Literatur nach 20 Jahren mit 85 Prozent bis 90 Prozent angegeben. Die Standzeit ist jedoch abhängig von der individuellen Beanspruchung, der Qualität des Knochens, sowie dem Material und Design der Prothese. Wichtig ist: Je sorgsamer die Betroffenen mit ihrem neuen Gelenk umgehen, desto länger wird es ihnen auch Schmerzfreiheit und eine gute Funktion ermöglichen.
Wie lässt sich der Heilungsprozess nach der OP unterstützen?
Prof. Sandmann: Der Genesungsprozess beginnt eigentlich schon vor der OP. Denn sollte es der Schmerz erlauben, ist es sinnvoll, die Muskulatur weiterhin zu trainieren und das Gelenk so gut als möglich beweglich zu halten. Die eigentliche Rehabilitation beginnt dann nach der Operation. Bereits am ersten Tag nach der OP startet die physiotherapeutische Nachbehandlung sowie Mobilisation des Schultergelenks, um Koordination, Muskelaufbau und Beweglichkeit zu aktivieren. Wenn das neue Gelenk den Alltag meistert, geht es nach etwa drei bis sechs Monaten an sportliche Aktivitäten. Aber immer unter Beachtung der Schmerzgrenze und ohne das neue Gelenk zu überfordern! Für PatientInnen mit Schulterprothesen sind sowohl Überkopf- oder Wurfsportarten als auch Kontaktsportarten, wie zum Beispiel Tennis, Volleyball, Fußball, Klettern oder Kampfsport nicht zu empfehlen, wohingegen Sportarten, wie beispielsweise Wandern, Joggen, Radfahren, Schwimmen, Aquajogging und Gymnastik in aller Regel problemlos möglich sind.
Zeitungsseite als PDF: KW35_Prof._Sandmann_Schulterprothese_02.09.2023.pdf
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Prof. Dr. med. Gunther Sandmann
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