10.07.2021 – Wem ist das nicht schon einmal passiert: Man stößt sich den Ellenbogen und ein unangenehm „elektrisierendes“ Gefühl schießt durch den Unterarm. Zum Glück ebbt der Schmerz bald wieder von selbst ab. Andere Schmerzen am Ellenbogen sind da hartnäckiger. Wir sprechen über die vielfältigen Krankheitsbilder am Ellenbogen mit Prof. Dr. Andreas Lenich, Spezialist für Schulter- und Ellenbogenchirurgie im Josephinum.
Wodurch entstehen Ellenbogenschmerzen?
Prof. Dr. Lenich: Schmerzen im Ellenbogen können viele und ganz unterschiedliche Ursachen haben. Grundsätzlich muss man zwischen akuten und chronischen Ellenbogenschmerzen unterscheiden. Akute Schmerzen treten etwa nach einer Verletzung auf, zum Beispiel der Sehnen und Bänder, einem Bruch oder wenn der Ellenbogen ausgekugelt ist. Daneben können auch durch Fehl- oder Überbelastung Schmerzen entstehen. Dann spricht man von den vielen bekannten Tennisellenbogen, Golferellenbogen oder dem Mausarm. Auslöser hierfür sind neben den besagten Sportarten auch Arbeiten am PC mit der Maus, handwerkliche Tätigkeiten oder intensives Musizieren, etwa an Klavier oder Geige. Häufig kommen auch Entzündungen am Ellenbogen vor, wie etwa Sehnenscheiden- oder Schleimbeutelentzündungen oder die sogenannte Arthritis. Bei letzterer sind Gelenkschmerzen in Ruhe und nachts typisch. Arthritis kann zum Beispiel durch Bakterien oder Grunderkrankungen wie Rheuma, Schuppenflechte oder Gicht ausgelöst werden. Selten entstehen Schmerzen am Ellenbogen auch durch Arthrose. Durch Verschleißerscheinungen zeigen sich hier Belastungsschmerzen, die sich meist bei Ruhe oder Entlastung bessern. Und manchmal ist der Ellenbogen selbst gar nicht das Problem, sondern es treten zum Beispiel Schmerzen an der Schulter oder durch Muskelverspannungen im Nacken auf. Wenn diese sich festsetzen, können sie auch bis zum Ellenbogen oder sogar zur Hand ausstrahlen. Ist der Ellennerv dauerhaft, also chronisch gereizt, kann etwa ein Kubitaltunnelsyndrom vorliegen. Betroffene leiden dann unter stechenden, elektrisierenden Schmerzen im Ellenbogen und der Ringfinger sowie der kleine Finger fühlen sich taub an.
Mit welchen Schmerzen am Ellenbogen sollten sich Betroffene besser ärztlichen Rat einholen?
Prof. Dr. Lenich: Betroffene sollten in jedem Fall nach einem Sturz auf den Ellenbogen oder nach einem Unfall einen Spezialisten aufsuchen. Das gilt vor allem, wenn nach einer Ellenbogenverletzung die Schmerzen nicht durch Ruhe und Schonung abnehmen. Ich sehe auch viele Patienten, bei denen die Ellenbogenschmerzen belastungsunabhängig sind, also in Ruhe auftreten. Bei sehr starken Schmerzen in Verbindung mit Schwellung und Blutergüssen rund um das Ellenbogengelenk und bei stechend-schmerzhaften Entzündungen, Rötung und Temperaturerhöhung (also Überwärmung) des Ellenbogens sollten sich Betroffene sofort an einen Arzt wenden. Ebenso wenn das Gelenk in seiner Beweglichkeit stark eingeschränkt oder ganz versteift ist. Vorsicht ist auch geboten bei Taubheit oder Gefühlsstörungen im Arm, in der Hand oder in den Fingern. Außerdem kommen zu mir oft Patienten, die an chronischen Schmerzen leiden, welche bereits länger als drei Monate andauern.
Kann man den Ellenbogen auch konservativ therapieren?
Prof. Dr. Lenich: Ich lege sogar besonders großen Wert auf eine zunächst konservative Behandlung von Beschwerden am Ellenbogen, sofern dies möglich ist. Betroffenen empfehle ich eine qualitativ gute physiotherapeutische und physikalische (z.B. Wärme- und Kältebehandlung) Therapie unterstützt durch Osteopathie und sporttherapeutische Übungsbehandlung. Wichtig: Eine Überlastung des Ellenbogens durch Fehlbelastung in jedem Fall vermeiden! Bei akuten Verletzungen muss der Ellenbogen gegebenenfalls zunächst durch Bandagen oder Gipsverbände ruhiggestellt werden. Entzündungshemmende Schmerzmittel lindern starke Schmerzen und lassen Entzündungen abklingen. Aber Betroffene müssen wissen: Die Ursache wird dadurch nicht behoben!
Wann empfehlen Sie eine Operation?
Prof. Dr. Lenich: Ellenbogenschmerzen lassen sich in der Regel sehr gut durch konservative Verfahren behandeln. Wenn alle konservativen Maßnahmen ausgeschöpft sind, ist jedoch eine OP die richtige Wahl, um die Beweglichkeit des Ellenbogens wiederherzustellen und Schmerzen zu lindern. Grundlage der Behandlungsentscheidung ist für mich immer eine umfassende klinische und bildgebende Diagnostik, um die genaue Ursache der Ellenbogenschmerzen abzuklären. Wann eine Operation sinnvoll ist, bespreche ich zusammen mit dem jeweiligen Patienten im Einzelfall. Bei einem Nervenengpassyndrom leiden Betroffene beispielsweise anfangs an Gefühlsstörungen im Bereich des vierten und fünften Fingers, später können diese auch dauerhaft sein. Ebenso sind Schmerzen in Hand, Unterarm und Ellenbogengelenk möglich. Mittels Schienen und Orthesen lässt sich eine Beugung des Ellenbogengelenkes vermeiden. Außerdem empfehle ich in diesem Fall abschwellende und entzündungshemmende Medikamente. Sollten diese konservativen Therapieansätze nicht erfolgreich sein, befreie ich während einer OP den Nerv und verlagere ihn gegebenenfalls aus seinem knöchernen Bett. So kann ich die Mobilität meines Patienten in Alltag, Beruf und Freizeit wiederherstellen.
Zeitungsseite als PDF: KW27_Ellenbogen_Prof_Dr_Lenich_10072021.pdf
Kontakt:
Prof. Dr. med. Andreas Lenich
Nymphenburgerstr. 1
80355 München
Tel.: 089 52 13 10
www.orthopaedie-stiglmaierplatz.de