16.10.2021 – Menschen mit Spinalkanalstenose haben einen zu engen Wirbelkanal, der dann die Nerven einklemmt. Schuld daran sind Abnutzungserscheinungen der kleinen Wirbelgelenke und der Bandscheiben im Alter, die durch Bewegungsmangel oder auch Veranlagung entstehen. Die spinale Stenose kann in der Lenden- oder in der Halswirbelsäule auftreten und teilweise massive Beschwerden auslösen. Dazu gehören etwa ausstrahlende Schmerzen in Arme oder Beine, Gangstörungen oder Störungen der Feinmotorik. Von selbst verschwinden die Beschwerden jedoch leider nicht. Wir sprechen darüber mit Prof. Dr. Stefan Zausinger. Der Facharzt für Neurochirurgie im Josephinum weiß, wie Betroffene mit dem medizinischen Krankheitsbild „Spinalkanalstenose“ im Alltag am besten umgehen und wie sie die Beschwerden in den Griff bekommen können.
Welche Sportarten können und dürfen Betroffene machen?
Prof. Zausinger: Sehr charakteristisch für Menschen mit einer Stenose der Lendenwirbelsäule ist zum Beispiel, dass sie problemlos Fahrrad fahren können, jedoch bereits eine deutliche schmerzbedingte Einschränkung ihrer Gehstrecke beklagen. Dennoch gilt: Betroffene sollten sich nicht absichtlich schonen und jede sportliche Betätigung vermeiden. Ich empfehle meinen Patienten im Gegenteil, auf ausreichend Bewegung und Kräftigung der Rumpfmuskulatur zu achten. Günstig sind vor allem Sportarten mit gleichmäßigen, gut dosier- und kontrollierbaren Bewegungen wie eben etwa Radfahren, Walking, Rudern, Schwimmen oder auch Muskelkräftigung im Fitnessstudio. Dagegen sollten Betroffene Sportarten mit schnellen und ruckartigen Bewegungen eher meiden, wie sie bei Ball- und Schlägersportarten häufiger vorkommen.
Wie schläft man bei Spinalkanalstenose richtig, um Rückenschmerzen zu vermeiden?
Prof. Zausinger: Die Wirbelsäule sollte beim Schlafen dieselbe Form einnehmen, wie sie es im aufrechten Stand tut. Die ideale Schlafhaltung bei Spinalkanalstenose an der Halswirbelsäule ist auf dem Rücken liegend oder auf der Seite mit durch ein Spezialkissen unterstütztem Kopf. Am schlechtesten für die Halswirbelsäule ist die Bauchlage. Denn dabei muss sie sich zwangsweise in unnatürlicher Weise verdrehen. Patienten mit Spinalkanalstenose an der Lendenwirbelsäule vermeiden Schmerzen beim Schlafen am besten in Seitenlage mit leicht gebeugten Knien. Denn so liegt die Wirbelsäule automatisch in ihrer natürlichen Krümmung. Grundsätzlich empfehlenswert ist eine möglichst punktelastische Matratze, die die Körperformen vor allem im Bereich der Schultern und des Beckens optimal unterstützt.
Kann und darf man mit Spinalkanalstenose arbeiten?
Prof. Zausinger: Grundsätzlich ja. Wie stark die Beschwerden die Arbeitsfähigkeit des einzelnen Betroffenen einschränken, hängt vom ausgeübten Beruf ab. So kann zum Beispiel eine sehr starke körperliche Belastung, etwa das berufsbedingte Tragen schwerer Gewichte, den Verlauf der Beschwerden beschleunigen. Und wer im Sitzen arbeitet, sollte besonders auf eine rückengerechte Körperhaltung achten. Geeignete Hilfsmittel hierfür sind ergonomische Stühle und Stehpulte. Übrigens: Nach einer Spinalkanalstenose-OP beträgt die Arbeitsunfähigkeit in der Regel vier Wochen bis drei Monate.
Wie helfen Sie als Arzt Ihren Patienten bei einer Spinalkanalstenose?
Prof. Zausinger: Zunächst erfolgt eine gründliche Untersuchung meiner Patienten. Dazu begutachte ich die Form der Wirbelsäule und gegebenenfalls vorhandene Bewegungseinschränkungen. Zudem prüfe ich, ob Schmerzen auftreten, zum Beispiel bei Dehnung der Nerven oder Abklopfen der Wirbel. Laboruntersuchungen und Röntgenaufnahmen sowie Kernspin- oder Computertomografie helfen außerdem dabei, die Lage und das Ausmaß der Spinalkanalstenose zu beurteilen. Wenn keine neurologischen Störungen vorliegen und die Schmerzen des Patienten nicht zu stark sind, ist eine konservative Therapie die beste Behandlungsmöglichkeit. Dazu gehören Physiotherapie, Rückenschule, Wärmetherapie, Schmerzbewältigungstraining und Schmerztherapie. Selten ist eine Operation nötig, um den Spinalkanal zu entlasten.
Wann und wie muss eine Spinalkanalstenose dann doch mal operiert werden?
Prof. Zausinger: Eine Operation wird nur bei einer starken Verengung des Wirbelkanals notwendig. Oder wenn Betroffene trotz konservativer Therapie unter sehr großen Schmerzen leiden beziehungsweise Lähmungserscheinungen oder starke Gefühlsstörungen auftreten. Ziel der Operation ist es, eine dauerhafte Schädigung des Nervensystems zu vermeiden, die Schmerzen deutlich zu lindern, die Geh- und Stehdauer und natürlich dadurch auch die Lebensqualität zu verbessern. Die Operation wird im Regelfall minimalinvasiv unter dem Operationsmikroskop durchgeführt. Das bedeutet: Über einen kleinen Hautschnitt in Höhe der Stenose trage ich die Verdickungen des Band- und Knochengewebes, die das Rückenmark oder die Nervenwurzeln einengen, unter Vollnarkose ab. So vergrößere ich den Innendurchmesser des Spinalkanals und verringere dadurch den Druck auf Nerven oder Rückenmark. Die Erfolgsaussichten der Operation sind gut. Die allermeisten Patienten berichten von einer deutlichen Besserung der Beschwerden. In der Regel können Patienten bereits am Tag nach der Operation aufstehen und das Krankenhaus nach wenigen Tagen schon wieder verlassen.
Zeitungsseite als PDF: KW41_Spinalkanalstenose_Prof._Zausinger_16.10.2021.pdf
Kontakt:
Prof. Dr. med S. Zausinger
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Tel: 08941112070
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